Am 13. Juni 2019 begann bei Real Madrid eine neue Ära. 50.000 Fans waren ins Estadio Sant­iago Ber­nabeu gekommen, um den Königs­transfer zu emp­fangen. Der 115 Mil­lionen Euro teure Neu­zu­gang vom FC Chelsea sollte ein Jahr nach dem Abgang von Cris­tiano Ronaldo das Super­star-Vakuum der König­li­chen füllen – und ver­setzte die Fans in Ekstase, indem er umge­hend das Ver­eins­wappen küsste. Ich bin hierher gekommen, um der beste Spieler der Welt zu werden“, sagte Eden Hazard ins Mikrofon. Was für ein galak­ti­scher Irrtum. Am ver­gan­genen Dienstag hat Bel­giens begna­deter Fuß­baller seine Kar­riere beendet. Im Alter von 32 Jahren. Vier Jahre, nachdem er an der Spitze des Welt­fuß­balls zu sein schien, min­des­tens aber zum teu­ersten Transfer der Ver­eins­ge­schichte wurde. Seit seinem Wechsel nach Madrid hat Hazard einen Abstieg hin­ge­legt, wie es noch nie einem Spieler, der für mehr als 100 Mil­lionen Euro gewech­selt ist, ergangen ist. Der Nach­folger von Cris­tiano Ronaldo wurde zum großen Miss­ver­ständnis. Wie konnte das pas­sieren?

Dass nicht alles nach Plan ver­laufen würde, ließ Hazard bereits bei seiner Vor­stel­lung ver­muten. Der Königs­transfer hatte Über­ge­wicht. Das schnee­weiße Trikot mit gol­denen Ele­menten wölbte sich auf Höhe des Unter­leibs. Es war nicht ein­fach nur eine Phase wie bei vielen Profis, die mit über­schüs­sigem Gepäck aus dem Som­mer­ur­laub zurück­kehren. Hazard sollte nie wieder die Ath­letik errei­chen, die ihn zu seinen besten Jahren bei Chelsea aus­ge­zeichnet hatte. Die Pfunde kamen nicht von unge­fähr: Der Offen­siv­spieler hatte sich einen Ruf als fauler Profi erar­beitet. Dabei hatte er sich beim FC Chelsea inner­halb von sieben Jahren auf eine Ebene mit Ver­eins­le­genden wie Frank Lam­pard, John Terry und Didier Drogba gespielt.

Der klein­ge­wach­sene Angreifer, der 2012 für 35 Mil­lionen Euro vom OSC Lille nach London gewech­selt war, beschleu­nigte im Dribb­ling wie ein Motorrad, hatte den Ball dabei aber am Fuß, als wäre dieser magne­tisch mit seinen Schuhen ver­bunden. In 352 Spielen für Chelsea erzielte er 93 Tore und legte 95 wei­tere auf. Hazard wurde mit Chelsea zweimal eng­li­scher Meister, gewann zweimal die Europa League und wurde FA-Cup-Sieger. 2015 kürten ihn die Fach­presse und Mit­glieder der Pro­fi­fuß­baller-Gewerk­schaft PFA außerdem zum Spieler des Jahres in Eng­land. Der Erfolg ließ den Super­star lau­nisch werden. Wäh­rend des Trai­nings ist ihm manchmal lang­weilig, denn für ihn ist das alles so ein­fach“, sagte Chelsea-Trainer Mau­rizio Sarri im Jahr 2019.

Bel­giens Gol­dene Gene­ra­tion blieb unge­krönt

Auch in der Natio­nal­mann­schaft genoss Hazard einen Ruf als gefei­erter Super­star. 2008 hatte er im Alter von 17 Jahren bei den Red Devils“ debü­tiert. Es folgten 125 wei­tere Spiele, von denen er 56 als Kapitän bestritt. Hazard führte Bel­giens Gol­dene Gene­ra­tion um Stars wie Dries Mer­tens, Thibaut Cour­tois, Romelu Lukaku und Kevin De Bruyne an. 2018 schien die bel­gi­sche Mann­schaft auf dem Höhe­punkt ihres Schaf­fens zu sein, schei­terte im WM-Halb­fi­nale aber an Frank­reich. Durch einen 2:0‑Sieg über Eng­land ver­ab­schie­dete sich das Team als Dritter aus dem Tur­nier. Bei der WM in Katar hatten Hazard und Co. ihren Zenit längst über­schritten. Auf den 1:0‑Auftaktsieg über Kanada folgte ein erschre­ckend schwa­ches 0:2 gegen Marokko. Hazard wurde in beiden Spielen nach rund einer Stunde aus­ge­wech­selt, im ent­schei­denden Grup­pen­spiel – einem 0:0 gegen Kroa­tien – saß der Kapitän nur noch auf der Bank. Im Anschluss ver­kün­dete er seinen Rück­tritt aus der Natio­nal­mann­schaft. Bel­giens Gol­dene Gene­ra­tion blieb unge­krönt.

Hazard und Ance­lotti redeten nicht mit­ein­ander“

Auch die Ver­eins­kar­riere von Eden Hazard wird als eine unvoll­endete in Erin­ne­rung bleiben. Nur 76 Spiele – zwölf Tore, sieben Vor­lagen – hat er für Real Madrid bestritten. Nach seinem Wechsel fehlte Hazard meh­rere Wochen wegen einer Ober­schen­kel­ver­let­zung. Es sollte die erste von zahl­rei­chen wei­teren Zwangs­pausen sein. Vor seiner Ankunft hier hatte er keine lange Ver­let­zungs­pause. In Madrid hatte er bisher viele Pro­bleme. Aber er hat einen langen Ver­trag und wenn er gut in Form kommt, dann wird er beein­dru­cken. Davon bin ich über­zeugt“, sagte Trainer Ziné­dine Zidane über Hazards Start­schwie­rig­keiten – das was aller­dings schon im März 2021, fast zwei Jahre nach dessen Ver­pflich­tung. Unter­dessen sorgte Hazards Ver­halten nach dem Aus­scheiden in der Cham­pions League für Kritik in den spa­ni­schen Medien. Nach dem Halb­fi­nal­rück­spiel gegen den FC Chelsea hatte Hazard mit seinem frü­heren Team­kol­legen Kurt Zouma und Tor­hüter Edouard Mendy gescherzt, wor­aufhin er sich bei der gesamten Mann­schaft ent­schul­digte.

Als Carlo Ance­lotti im Sommer 2021 die Nach­folge von Zidane antrat, erhielt Hazard immer weniger Spiel­zeit. 18 Mal saß der Edel­re­ser­vist ohne Ein­satz auf der Bank, auch beim Cham­pions-League-Finale 2022. Über sein Ver­hältnis zu Ance­lotti sprach Hazard im März 2023 in einem aus­führ­li­chen Inter­view mit dem RTBF, dem öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk in Bel­gien. Es herrscht Respekt zwi­schen uns. Aber ich werde nicht sagen, dass wir mit­ein­ander reden, weil wir nicht mit­ein­ander reden“, erzählte der Profi. Ance­lotti bestä­tigte Hazards Aus­sagen: Er war sehr ehr­lich, wir reden nicht viel“, sagte der Ita­liener und erklärte: Er spielt nicht, weil er große Kon­kur­renz hat und einer auf seiner Posi­tion spielt, der es extrem gut macht – Vini­cius Junior.“ In der abge­lau­fenen Saison spielte Hazard nur noch sechs Mal für Real. Seinen bis Juni 2024 lau­fenden Ver­trag löste er im Sommer vor­zeitig auf.

Trotz Anfragen aus Saudi-Ara­bien und Europa wollte der zuletzt ver­eins­lose Profi seine Lauf­bahn nicht mehr fort­setzen. Du musst auf dich selbst hören und im rich­tigen Moment Stopp‘ sagen“, teilte Hazard in einem State­ment bei Insta­gram mit. Es sei nun an der Zeit, mein Leben zu genießen und neue Erfah­rungen zu machen“. Wer dem frü­heren Pre­mier-League-Star in den ver­gan­genen Jahren beim Ver­fall seines Poten­zials zuge­sehen hat, der muss sagen: Es ist wahr­schein­lich besser so.

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